Episode 14: Die Zauberrübe der Baba Yaga
17.11.2024 6 min
Es war einmal ein Zarensohn, der seinem Vater erst kurz zuvor auf den Thron nachgefolgt war, als in sein großes Reich Feinde einfielen. Blutrünstige Heiden brannten die Dörfer nieder, zerstörten die Ernten auf den Feldern und töteten Männer, Frauen und Kinder. Eilig wurde nun ein großes Heer versammelt, das unter der Führung des jungen Zaren nach Süden ziehen sollte. Dieser aber zweifelte sehr an sich und hatte große Angst davor, seinen Mannen kein guter Kriegsherr zu sein. In der Nacht, bevor er an der Spitze des Heeres ausrücken sollte, verließ ihn vollends der Mut. Heimlich verließ er sein Schloss und ritt auf seinem Pferd tief in die dunklen Wälder seiner Heimat, wo er sich vor seinen Kriegern versteckte, die unermüdlich nach ihm Ausschau hielten. Nach einigen Tagen ziellosen Umherirrens gelangte er an eine große Lichtung, auf der eine alte Hütte stand. Sogleich erkannte er an ihren gewaltigen Entenbeinen, dass es sich um die Behausung der Baba Yaga handeln musste, und beschloss, die für ihre Weisheit weit und breit bekannte Hexe um Rat zu fragen. Tatsächlich ließ ihn auf sein Rufen eine zahnlose, verrunzelte Alte mit schlohweißem Haar ein und hörte sich geduldig seine Geschichte an. Dann musterte sie ihn eindringlich, holte aus ihrer Rocktasche eine rote Rübe, murmelte ein paar unverständliche Worte und reichte ihm die runzelige Frucht mit den Worten: „Von nun an brauchst du keine Angst mehr haben. Mit Hilfe der Zauberrübe wird dir stets alles gelingen, was du dir vornimmst.“ Seltsam gestärkt und beglückt verließ der junge Zar die alte Hexe, kehrte eilends auf se...
Episode 13: Der einsame König
Als ein junger König für sich entdeckte, die Stille zu genießen
06.10.2024 5 min
Ein junger Mann, ein König eines fernen Landes, öffnete seine Augen und sah eine ihm unbekannte Welt. Der junge König saß auf einem einfachen, blauen Thron inmitten einer fiebrig glänzenden Landschaft und starrte in einen wundersamen Sonnenuntergang. Dicke Wolkenfetzen reflektierten das dunkelorangene Licht der letzten Sonnenstrahlen und warfen verschwommene Spiegelbilder – einem Echo gleich - von fernen Orten in das Blickfeld des jungen Königs, der seinen Thron unter die ausladenden Äste eines alten Baumes gerückt hatte. Schattengeister streiften sein Gesicht und malten schwarze Abdrücke auf seine weißen Wangen. Der einfache Thron, der blaue Stuhl, war sein Fixpunkt dieser Welt, die ihr Bilderecho dem König zu Füßen warf und ihn immer und immer wieder daran erinnerte, sich zu setzen, inne zu halten, nichts zu tun, nicht zu sagen, sich nicht einmal zu wundern ob dieser Welt, die einfach in jedem Augenblick langsamer, ruhiger und schöner wurde. "Genieße die Stille!" dachte er zufrieden.
Episode 12: Die Sterne und die glücklichen Menschen
Ein junger Mann, der zu seiner Leidenschaft fand und begann, die Sterne am Nachthimmel zu malen
29.09.2024 6 min
Einst lebte ein junger Mann, der nichts mehr liebte als die Sterne des Nachthimmels. Immer wurde der junge Mann traurig, sobald die ersten, rötlichen Linien am Horizont den Aufgang der Sonne ankündigten. "Man müsste die Sterne malen, genauso wie sie jede Nacht am Himmel erscheinen, sie in ihrer Wanderung begleiten, ein Bild nach dem anderen, ein Wunder, jede Nacht, diese Nacht, die nächste Nacht, eigentlich immer, immer!“ Der Mann kratze sein letztes Geld zusammen, kaufte sich eine Leinwandrolle, Pinsel und schwarze und weiße Ölfarben. Nacht für Nacht saß er nun auf dem Berg und malte die Sterne in all ihrer Pracht. Die anderen Menschen, die ihn zuerst ausgelacht hatten, betrachteten mit der Zeit seine Bilder mit Neugier: „Wie schön diese Sterne sind!“ sagten sie, „Die Nacht hat auch ihr Gutes!“ und ähnliches. Immer mehr Menschen kamen, um die Bilder des Sternenhimmels zu betrachten und sich daran zu erfreuen. Auch den Sternen waren die Kunst und die Liebe des Malers nicht entgangen. Genau ein Jahr, nachdem der Mann mit dem Malen begonnen hatte, beschlossen sie, ihm ein Geschenk zu machen: Sie schickten von nun an jedes Jahr zur gleichen Zeit silberne Boten mit langen Schweifen über den Nachthimmel, um dem Mann für seine Liebe zu ihnen ihren Dank auszudrücken.
Episode 11: Prolog - Zwergenhammer und Feendiamant
22.09.2024 7 min
Dies ist der Prolog aus dem Roman "Zwergenhammer und "Feendiamant". Dieser verknüpft Fantasy- mit Märchenelementen und wird in zwei voneinander unabhängig verlaufenden Handlungssträngen erzählt, die nach und nach miteinander verwoben werden: Im Mittelpunkt der Handlung stehen der Zwerg Morlin, der aufbricht, um die Welt ausserhalb der Berghallen seines Volks zu entdecken und dabei zum Träger einer Götterwaffe wird, und der Spielmann Mispelnan, der sich zusammen mit seinen Gefährten in die Feenwelt begibt, um grosses Unheil zu verhindern. Obwohl sie nichts voneinander wissen, sind ihre Geschicke auf ungewöhnliche Weise miteinander verbunden ... Im Gegensatz zu vielen anderen Fantasy-Romanen vermischen sich die Genres: Während die Welt der Feen in märchenhaft bunten Bildern beschrieben wird, gibt es auch düstere Szenen, bei denen der LeserIn die Gänsehaut über den Rücken rinnt. Auch der Schluss der Geschichte ist aussergewöhnlich: Obwohl eine der Hauptfiguren ihr Leben lassen muss, um ihre Bestimmung zu erfüllen, gibt es doch ein versöhnendes Ende. Die gesamte Welt ist von Magie durchdrungen, die als natürliche Lebensessenz dargestellt wird: Sie kommt oft ohne mächtige Zauberwirker aus und manifestiert sich in kleinen, liebevoll erzählten Einzelheiten.
Episode 10: Es gibt immer einen Weg
Blechdosenkonzert auf einem Dreieckstischchen
15.09.2024 8 min
In einer schmutzigen Ecke einer kleinen Bar stand ein unscheinbarer, alter Dreieckstisch. „So ist gesichert, dass man nicht allein sein Bier trinken muss, wenn man einsam ist!“, meinte dieser Tisch im Stillen und war mit seiner selbst sehr zufrieden. „An jeder Seite von mir kann jemand sitzen, sind also erstmals drei Personen, wenn dann noch Sessel an die Enden meiner dünnen, spitzen Ecken geschoben werden, dann sind es sechs Menschen, die sich näherkommen, allein dadurch, dass ich hier bin. Das ist schön!“ Der Tisch leuchtete matt in einer ausgebleichten, hellschwarzen Farbe. Auf der Oberfläche des Tisches waren Myriaden winzig kleiner, weißer Punkte verteilt. „Es ist, als würde es schneien, es ist, als würden sich Lichtflöckchen selbstständig gemacht haben, um die Liebe zu entdecken, es scheint, als wären alle weißen Farbkleckse von zu Hause ausgerissen, um eine Party zu feiern und wohin ausgerissen? – natürlich zu mir!“ Der Tisch war sehr zufrieden mit sich. Ein Aufkleber mit den geheimen Worten „Thank You!“ war an einer der zulaufenden Spitzen des Tischchens geklebt. Jeden Tag überlegte sich das Tischchen, was diese Worte in seinem Fall wohl zu bedeuten hätten. „Heißt das, das ich mich bei den anderen bedanke, dass sie sich zu mir gesetzt haben, oder heißt das, „Danke Tisch, dass es dich gibt“, eben weil es bei mir so gemütlich und kuschelig zugeht? Ich hoffe auf zweiteres, aber ich bin nicht sicher!“ Der Tisch starrte dann immer ein wenig ins Leere, denn in der Leere entdeckte er ab und an seltsame Dinge. So lenkte er sich gut ab und musste die Frage nicht beantwo...
Episode 09: Wenn der Traumfisch kommt
Wie ein Mädchen aus dem Griff des Traumreichs befreit wurde
08.09.2024 6 min
Es war einmal ein Mädchen, das mochte zum Leidwesen seiner besorgten Eltern nicht sprechen, obwohl es längst schon in einem Alter war, in welchem sich Kinder üblicherweise bereits gut verständigen konnten. Ohne auch nur ein einziges Wort von sichzu geben, verbrachte es seine Tage hauptsächlich damit, in den Himmel zu starren. Alle Ärzte, die es untersuchten, standen vor einem Rätsel. „Ihr Kind ist kerngesund. Wir wissen leider nicht, warum es nicht spricht und ständig zum Himmel blickt“, meinten sie zu den Eltern, die darüber sehr betrübt waren, dass niemand ihrer Tochter zu helfen vermochte. Schließlich schickten sie in ihrer Verzweiflung nach einer Wahrsagerin und Hellseherin, welche im Rufe stand, über geheimes Wissen zu verfügen. Die alte Frau kam noch am gleichen Abend in das Haus der Familie und betrachtete das Kind lange. Dann meinte sie mit krächzender Stimme: „Ich muss eure Tochter über Nacht beobachten. Bitte besorgt mir einen weichen Stuhl für meine alten Knochen, ich will an ihrem Bett über sie wachen. Ihr dürft aber keinesfalls Nachschau halten und uns stören.“ Verwundert willigten die Eltern ein, brachten einen gemütlichen Sofasessel und verließendas Zimmer. Ohne sich weiter um seinen Gast zu kümmern, begab sich das Mädchen zu Bett und schlief bald darauf ein. Die Alte aber hielt die Augen offen und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Es war schon weit nach Mitternacht, als sich plötzlich die Fensterflügel lautlos öffneten. Ein zarter Windhauch strich in das Zimmer und erfüllte es mit einem eigentümlichen, feinen Duft nach Blüten und Meerwasser. Gleic...
Episode 08: Dragon's Dreaming
Drachen ist es von Grund auf verboten, Gutes zu tun
01.09.2024 6 min
„Keine Nacht ist kürzer als der längste Tag!“, fauchte der kleine schwarze Babydrache, als er langsam die Stiegen hinabkroch. „Nur noch einmal rechts abbiegen, dann geradeaus, dahinter liegt der dunkle Weg, dort will ich hin, denn wo es dunkel ist, da ist es am schönsten!“ Drachen aalen sich in der Suppe des Bösen, doch diesem Drachen war erst heute etwas widerfahren, was ihn daran hinderte, Böses zu tun. Und während er noch die Luft anhielt, tauchten unerwartete, unbekannte Gedanken in seinem Kopf auf: „Das Jahr des guten Drachen!“ oder „Die Wand bemalen und nicht zerstören!“ Und ohne weiter darüber nachzudenken, malte sein Feuer, sein Todeshauch, seine rußgeschwärzte Zunge ein schwarzes Herz an die Hauswand, ohne diese wesentlich zu zerstören. Überrascht blickte er auf sein Werk, war es schwarzen Drachen doch von Grund auf verboten, Gutes zu tun. "Ein schwarzes Herz!", zischte er nachdenklich, „ein schwarzes Herz!"
Episode 07: Die Felsenmenschen
Eines Tages trafen sich Klippen und Berge einer fernen Insel zu einer Krisensitzung....
25.08.2024 6 min
Eines Tages trafen sich Klippen und Berge einer fernen Insel zu einer Krisensitzung. „Wir sind die Schultern dieser Welt, aber niemand, niemand spricht darüber, jeder sieht uns als gegeben an!“, murrte ein Inselberg, dessen Rücken beinahe die Wolken erreichte. Der Satz war gesagt worden, hing zwischen den versammelten Klippen und Bergen im Raum, bewegte sich nicht weiter, blieb in der Zeit stehen. Ein Mensch, dessen Herz für die Insel, für die Berge schlug, legte jeden Tag sein Ohr auf den nackten Felsen, um von dem fernen Wispern etwas mitzubekommen… Irgendwann begann er an einer Übersetzung zu arbeiten, baute Werkzeug, ließ sich am Rand eines der Inselberge nieder und trieb Hammer und Meisel in einen der Berge, nicht ohne vorher im Gebet mit dem Berg darüber Einvernehmen hergestellt zu haben. Es entstanden Figuren, Gesandte der Berge, deren Aussehen so sehr variierte, wie deren Erscheinungsbild in der Wirklichkeit: Kleine Figuren, große Figuren, Figuren mit breiten Schultern, Figuren ohne Arme, doch alle, alle waren aus Fels gehauen und bereit die Welt auf ihren Schultern zu tragen… Komme was da wolle…. Weitere Menschen kamen, halfen, mehr und mehr Figuren wurden aus dem Berg geschält und ans Meer gebracht. Denn wie sollte eine Übersetzung besser verstanden werden, als direkt vor unseren Augen? Noch heute sind die Berge im Austausch darüber, wer sie denn seien. Doch zugleich wissen sie, dass es dem Menschenkünstler auf der fernen Insel sehr gut gelungen war, ihrem Wesen entsprechend Tribut zu zollen…
Episode 06: Die Wunder
Diese folgende Geschichte schrieben wir für Cecile, die einfach einmal einer bestimmten Freundin für „So Vieles, wenn nicht Alles“ so richtig „Danke“ sagen wollte! Dazu beschrieb sie uns kurz, wie ihre Freundin heißt, wie sie aussieht, was sie gerne hat und worin ihre Hilfsbereitschaft Freunden gegenüber besteht
18.08.2024 12 min
Ein dunkelroter Sonnenball hob sich träge über den Rand eines dichten, dunkelgrünen Waldes und beleuchtete die kleine Gruppe einfach gebauter Holzhäuser eines unbekannten Landes. Als hätte die Sonne die Luft verdrängt, blies im gleichen Augenblick ein starker Luftschauer über das Dorf und das dahinter liegende Grasland und malte eigenförmige Muster zwischen die Ähren der blühenden Gräser. Die Muster wurden zu kleinen Abdrücken des „Nichts“ und erzählten auf diese Weise aus dem Leben des Windes. Ein alter, runzliger Kobold, der es sich während der Nacht auf dem Holzdach eines der Häuser bequem gemacht hatte, schlug überrascht die Augen auf. „Hmm, Sonne“ zischte er ärgerlich, konnte es aber nicht lassen, den Feuerball für einige Sekunden fasziniert anzustarren. Als er aus dem Inneren des Hauses, auf dessen Dach er die Nacht verbracht hatte, ein dumpfes Rumpeln und daraufhin ein eigentümliches Klopfen hörte, stand er auf. „Vielleicht wird es ein guter Tag, vielleicht aber auch ein schlechter“ brummte er, während er schwerfällig vom Dach stieg. „Ich glaube aber, dass es heute ein guter Tag werden könnte!“ murmelte er noch. Kurz darauf war er unter den dichten Grashalmen verschwunden. Eine junge, hübsche Frau öffnete die einfache Türe ihres Hauses, streckte sich ein wenig und blickte sich um. „Ein wunderbarer Morgen!“ flüsterte sie, während sie die Sonne bewunderte. Auf einer kleinen Bank neben ihrer Hütte, lag eine schlafende, schwarze Katze. Die Frau setzte sich vorsichtig, ohne das Tier zu wecken und streichelte sie. Die Katze ließ sich das gerne gefallen, streckte ihre ...
Episode 05: Wolken mit Seele
Wir beobachten die Wolken? Nein, die Wolken, sie beobachten Dich!
11.08.2024 7 min
Du sitzt in einem Flugzeug oder du liegst im Gras und beobachtest die Wolken. Doch weit gefehlt. Die Wolken, sie beobachten dich. Wenn sich Wolken versammeln, dann werden sie zu „Einer einzigen Wolke“, „einer Wolkendecke“ oder – wie Menschen manchmal etwas achtlos meinen - „einer dunklen Wolkenfront“. Wolkenversammlungen sind wie Milchschaum, der durch Zufuhr von Hitze und Luft wachsen kann. Einzelne Bläschen bilden sich rund um einen Milchkern, die Unterhaltung findet durch das Bilden von Formen in Verbindung mit deren Bewegungen statt. Wolken schweben auf und nieder, links und rechts, weiten sich aus, bilden Türme, Muster, die wiederum Sinn in dem kollektiven Wolkenbewusstsein machen. Was fragen sich Wolken und was passiert, wenn die Fragen so außergewöhnlich sind, dass Verwirrung unter den Wolken entsteht? Hör rein und Du wirst Wolken nie mehr so sehen, wie Du sie bisher gesehen hast.
Episode 04: Die Reise des Mondes
04.08.2024 6 min
Seit diese Welt aus unerfindlichen Gründen geboren war, drehte sich der Mond um seinen Mutterplaneten Erde. Doch eines Tages entdeckt der Mond auch andere Sterne in der weiten Ferne und eines Tages, motiviert durch einen frechen Kometen, begibt er sich auf die Reise dorthin.
Episode 03: Die Kaugummirevolution
Knallbunte Kaugummikugeln wissen, wie es den Menschen geht
28.07.2024 6 min
Einst waren 50 knallbunte Kaugummikugeln in einem Behälter gefangen. Die Sonne war ihr Vorbild, so beweglich, rund, goldgelb und strahlend wie sie war. Manchmal bekamen sie Besuch, von andersartigen Wesen. Eckig waren sie, diese Wesen, mit langen Armen, Beinen und Gesichtern und bunten Knopfaugen. Die Sonne war ihr Vorbild, so beweglich, rund, goldgelb und strahlend, wie sie war. Eines Tages bekamen sie Besuch von diesen eckigen Wesen mit ihren bunten Knopfaugen, die regelmäßig Münzen mit den Kaugummis tauschten. "Diese Wesen stecken uns in ihren Mund, beißen rastlos auf uns ein, bis wir am Ende ähnlich grau werden wie ihre Gedanken!"
Episode 02: Großmutters Anderswelt
Als Großmutter 70 Jahre alt wurde
21.07.2024 8 min
Eine rot-gelbe Sonne stand bereits tief am Horizont - bald würde der Feuerball hinter den Bergen untergegangen sein und die Welt der aufkommenden Dämmerung überlassen haben. Ein letzter Lichtstrahl erreichte Marys freundliches Gesicht. Das Mädchen hatte es sich auf einer Holzbank, die im Garten ihres Elternhauses stand, gemütlich gemacht und blickte nachdenklich in die Ferne. Unweit des Gartens verlief ein Weg, der zu einer kleinen Ansiedlung führte, in der Marys Großmutter wohnte.
Episode 01: Wie alles begann
Ursus Piscis, zwei unzertrennliche Freunde, und ihr Freund Avis, deren Worte und Stimme die Welt verzaubern.
21.07.2024 9 min
In einem kleinen Dorf am Rand eines großen, geheimnisvollen Waldes lebte einst ein Mann namens Ursus. Er liebte den Wald, wie ein Bär, der gerne tagelang zwischen den Bäumen wandern ging und sich dabei an den Wolken des Himmels, am Rauschen der Blätter und dem Duft der Erde erfreute. Er hatte einen Freund, den er liebevoll „Piscis“ nannte Die beiden Freunde verbrachten die meiste Zeit gemeinsam am Saum eines rauschenden Waldbachs und dachten sich fantasievolle Geschichten aus – denn diese Fantasie-Geschichten stehen immer eng in Verbindung mit der Natur, dem Wald, der Erde und der Luft: So erfanden sie gemeinsam die Welt der Wurzelbolde und der Trollgeister, der Lichtelben und des Traumfischs. Gleichzeitig sprachen sie auch viel über die Menschen: „Menschen sind eigentlich gedankenverlorene Gestalten, die in ihrem Leben wie in einem Traum umherwandeln“, sagte Piscis eines Tages zu Ursus. „Hm… dann lass uns doch den Menschen dabei helfen, ihre wirkliche Welt wieder zu entdecken“, meinte Ursus und brummte zufrieden ob seiner Idee. So begannen sie Geschichten zu schreiben, in denen Menschen in einer Märchenwelt zu ihren wahren Bestimmungen fanden. Gemeinsam nannten sich die beiden „Ursus Piscis“ und schrieben seit jenem denkwürdigen Tag Geschichten über die Sehnsüchte der Menschen. Eines Tages traf Piscis auf einen begnadeten Vorleser, der sich selbst Avis nannte. Die Geschichten von Ursus Piscis hatten es ihm schon lange angetan und ihn in ihren Bann gezogen. Er war ein lebhafter Mensch, voll Energie, stets bunt gekleidet und bei genauer Betrachtung einem Vogel nicht unä...